Was Sie beachten sollten, wenn Sie Ihre Rechnungsprozesse optimieren - von der Bestellung bis zur Zahlung

Spricht man von elektronischen Rechnungsprozessen, so wird in der Regel lediglich an den elektronischen Rechnungsempfang gedacht. Doch auch die Bestellung und Lieferung gehören unweigerlich zur Rechnung dazu. Und so empfiehlt es sich, beim Nachdenken über Optimierungspotentiale von Rechnungsprozessen den gesamten Lebenszyklus einer Rechnung von der Bestellung bis zur Zahlung – den sogenannten Purchase-to-Pay-Prozess – zu beleuchten. 

Gegenüber dem e-Invoicing, also dem Teilprozess des elektronischen Rechnungsempfangs, kann mit einem elektronischen P2P-Prozess ein höherer Automatisierungsgrad, geringere Prozesskosten, mehr Transparenz und ein besseres Finanzmanagement erreicht werden. Zudem werden Bearbeitungsfehler weiter reduziert und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben erleichtert.

Warum kommt ein Unternehmen denn überhaupt auf die Idee, seine Rechnungsprozesse auf Optimierungsbedarf hin zu überprüfen? Dafür gibt es zahlreiche Gründe: Rechnungen werden dezentral empfangen und die Kreditorenbuchhalter sind die letzten, die vom Eingang erfahren. Oder die Weiterleitung von Rechnungen zur Prüfung und Freigabe erfolgt papierbasiert per Hauspost, was zu langen Laufzeiten führt. Verpasste Skonti und ein fehlender Überblick über den Verbleib sowie Status der Rechnung sind die Folgen. Letzen Endes verursacht dies dem Unternehmen nicht unerhebliche Kosten.

Analyse des Ist-Zustandes

Verschiedene Unternehmen bringen unterschiedliche Voraussetzungen mit und so gibt es zur Optimierung von Rechnungsprozessen auch diverse organisatorische und technische Varianten. Um die passende Lösung für Ihr Unternehmen zu finden, ist es wichtig zunächst den Ist-Zustand der Prozesse zu analysieren. Dabei können Kennzahlen helfen, die sich in aller Regel problemlos aus dem ERP-System des Unternehmens ermitteln lassen. Im Einzelnen geht es vor allem um folgende Punkte: 

 1. Struktur der Beschaffung

  • Gibt es bereits ein elektronisches Bestellwesen oder werden Anforderungen noch auf Papier durch das Unternehmen geschickt?

  • Gib es strukturierte Bestellungen auch auf Positionsebene?

  • Wie sieht das Freigabeprozedere aus? Wird bereits die Bestellung von mehreren Stellen freigegeben?

2. Rechnungsvolumen

  • Wie viele relevante Rechnungen erhält das Unternehmen pro Jahr?

  • Wie viele Rechnungen sind mit Bestellbezug?

  • Wie hoch ist der durchschnittliche Anteil an fehlerhaften Rechnungen?

  • Müssen für den Rechnungsverarbeitungsprozess nur Kopf- oder auch Positionsdaten übernommen werden?

3. Lieferantenstruktur

  • Wie viele Lieferanten hat das Unternehmen insgesamt? Wie viele davon mit sehr geringem und sehr hohem Rechnungsvolumen?

  • Wie professionell ist die IT-Infrastruktur der Lieferanten?

  • Bestehen bei den Lieferanten die Möglichkeit und der Wille zum Versand elektronischer Rechnungen? 

  • Darüber hinaus ist es äußerst wichtig, den bestehenden Rechnungsprozess grafisch darzustellen. So können erste Optimierungspotentiale im bestehenden Prozess, z.B. durch Vermeidung von Papier oder Automatisierung einzelner Arbeitsschritte, leicht erkannt werden.

Herausforderungen bei der Gestaltung des Soll-Prozesses

Um das Optimum aus elektronischen Rechnungsprozessen herauszuholen, ist es in der Regel allerdings erforderlich die Prozesse im Unternehmen nicht einfach nur zu digitalisieren, sondern grundlegend zu überdenken. Daher ist der nächste Schritt nach der Analyse des Ist-Zustandes die Definition eines Soll-Prozesses. Das kann folgendermaßen aussehen: 

Wichtig ist dabei die Gesamtdarstellung des Rechnungsprozesses unabhängig vom Format, also unabhängig davon, ob Bestellungen und Rechnungen auf Papier, als pdf oder in einem strukturierten Datenformat vorliegen.

Bei der Gestaltung des Soll-Prozesses offenbaren sich verschiedene Herausforderungen, die es bei der Umsetzung zu meistern gilt. Zudem müssen Entscheidungen getroffen werden, wie die Lösung zur automatischen Rechnungsverarbeitung im Einzelnen aussehen soll.

  • Ist ein Workflow gewünscht, der ins ERP-System integriert wird oder eine eigenständige Lösung, deren Funktionen und Oberfläche speziell auf die Bedürfnisse der Rechnungsverarbeitung abgestimmt sind und auch für Prüfer außerhalb der Buchhaltung einfach zu bedienen ist?
  • Wie stark soll und kann der Rechnungsverarbeitungsprozess automatisiert werden?
  • Wie sieht die Freigabestrategie des Unternehmens aus?
  • Sind unter bestimmten Voraussetzungen auch Dunkelbuchungen möglich?

All das hat Auswirkungen auf die gesamte Prozesskette.

Wird ein hoher Automatisierungsgrad des Rechnungsprozesses bis hin zur Dunkelbuchung angestrebt, verlagert sich die Verantwortung auf frühe Prozessphasen, also auf die Beschaffung. Essentiell für einen reibungslosen Ablauf ohne manuelles Eingreifen ist eine hohe Stammdatenqualität. Zudem muss im gesamten Prozess ein Bestellbezug vorhanden sein. Nur so können eingehende Rechnungen mit Bestellungen oder Verträgen abgeglichen werden. Ein komplexer Freigabeprozess bei der Beschaffung kann einen weiteren Freigabeprozess für die Rechnung überflüssig machen.

Der Rechnungseingang erfolgt nach der Umstellung auf elektronische Prozesse in der Regel zentral. Das sollte er auch, damit die formale vor der sachlichen Prüfung gewährleistet ist. So kann die Rechnungsverarbeitung effizient gestaltet werden. Darüber hinaus ist eine Klassifizierung der eingehenden Rechnungen notwendig, um sie entsprechend bestimmter Regeln weiterverarbeiten zu können, also was für eine Rechnung habe ich und welchen Prozess benötige ich dafür. Kategorien sind zum Beispiel Papier- oder pdf-Rechnung, Rechnungen mit/ohne Bestellbezug, ausländische/inländische Rechnungen. Generell gilt jedoch: je weniger Differenzierung desto besser. Als nächstes folgt die Validierung der Rechnungen, die nicht nur die formale Prüfung und den Abgleich mit Bestellungen/Verträgen sowie Stammdaten umfasst, sondern auch die Berücksichtigung von Wertgrenzen und Zahlungszielen. Dafür sind vollständige und korrekte Daten sowie eindeutige Regeln essentiell, die im System hinterlegt werden.

Freigabeprozess müssen Entscheidungen getroffen und Regeln festgelegt werden. Erfolgt die Freigabe über mehrere Stufen? Müssen alle Genehmiger die erforderliche Zeichnungshöhe haben oder reicht es, wenn einer sie hat? Wie wird mit Zeichnungshöhen im Vertretungsfall verfahren?

Wünschenswert ist natürlich, dass bei aller Automatisierung auch eine gewisse Flexibilität erhalten bleibt. Was passiert zum Beispiel, wenn die Rechnung vor dem Wareneingang da ist? Oder kann man nachträglich eine Bestellung für eine bereits eingegangene Rechnung anlegen? Grundsätzlich sollte man sich überlegen, an welcher Stelle Automatisierung Sinn macht und wo man lieber Menschenhand anlegt.

Elektronische Archivierung ist Pflicht

Die rechtlichen Anforderungen sind klar: Elektronische Rechnungen sind originär elektronische Dokumente, die dementsprechend auch elektronisch zu archivieren sind. Erfolgen kann das im Unternehmen oder auch bei externen Dienstleistern. Wählen Sie für die Archivierung einen Cloud-Anbieter, müssen Sie unbedingt darauf achten, wo Ihre Daten gespeichert werden. Eine Archivierung außerhalb Deutschlands ist nur unter bestimmten Voraussetzungen und teilweise nach Genehmigung durch das Finanzamt möglich. Egal welche Form des Archivs Sie verwenden, es sollte direkt mit Ihrem Buchhaltungssystem verknüpft sein. 

Elektronische Rechnungen unterliegen den GoBD (Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff). Es gilt somit eine Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren und es wird Revisionssicherheit gefordert. Dies ist keine technische Eigenschaft und lässt sich daher auch nicht mit dem Archivsystem kaufen. Revisionssicherheit ergibt sich immer aus Organisation und Technik. Organisation bedeutet in diesem Fall, dass Sie eine Verfahrensdokumentation für den P2P-Prozess erstellen müssen, die bereits seit 1995 Pflicht ist und zunehmend von Betriebsprüfern nachgefragt wird. Die Dokumente dafür sind oftmals in Unternehmen schon vorhanden, z.B. Mitarbeiter-Handbücher oder Arbeitsanweisungen für Prozesse, und müssen nur zusammengetragen und hier und da angereichert werden.

Fazit

Bei der Optimierung von Rechnungsprozessen ist Purchase-to-Pay die „hohe Schule“. Elementarer Bestandteil davon ist das e-Invoicing. Während es für e-Invoicing viele Anbieter auf dem Markt gibt, bieten nur wenige Lösungen an, die den gesamten P2P-Prozess abdecken. Auch wenn ein Unternehmen zunächst nur mit e-Invoicing startet, sollte dieser Fakt bei der Auswahl des Anbieters mit bedacht werden. Da Purchase-to-Pay ein komplexer Prozess ist, empfiehlt sich durchaus eine sukzessive Implementierung von Teilprozessen. Wichtig sind dabei eine professionelle Konzeption und ein ebenso professionelles Projektmanagement sowie ausreichend interne Ressourcen und die Unterstützung des Managements. Nur so kann die Optimierung der Rechnungsprozesse am Ende auch ein Erfolg werden. 

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