Purchase-to-Pay-Digitalisierung – Erfolgreiche Prozessoptimierung in der internationalen Beschaffung bei Klöckner

„Der Old-Economy-Stahlhändler Klöckner & Co. geht online.“ Mit diesem Satz begann ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 5. September 2014, der über die Aktivitäten zur Digitalisierung eines Traditionsunternehmens berichtete. Seitdem ist viel passiert, denn Klöckner verkauft nicht nur Stahl über seinen eigenen Webshop, sondern verfolgt eine Strategie zur Digitalisierung der gesamten Lieferkette.

In einem Vortrag auf der Basware Connect 2016 beschrieb Anna-Kathrin Werkmeister, Head of Business Controlling & Optimization, die 4 Eckpfeiler der Digitalisierungsstrategie von Klöckner und zeigte am Beispiel des P2P-Prozesses, wie solche Projekte ablaufen, wo die größten Herausforderungen bei einem internationalen Unternehmen liegen und welches die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind.

Die vier Pfeiler der Digitalisierung bei Klöckner

  1. Digitale Services: Darunter fallen nicht nur der Webshop und Online-Bestellübersichten, sondern auch die Kontraktplattform, über die Kunden ihre Kontrakte zentral einsehen und jederzeit den Status abrufen können. Das alles gibt es natürlich nicht nur für den Desktop, sondern auch als mobile Anwendungen.
  2. Nutzung von digitalen Tools: Big Data ist Chance und Herausforderung zugleich. Mit modernen Analyse-Tools versucht Klöckner die Kundenwünsche besser zu verstehen und ein besseres Angebot darauf zu entwickeln.
  3. Digitale Partnerschaften: Dazu zählt das Investment in den Online-Profi-Baumarkt Contorion oder auch eine Kooperation mit dem ERP-Anbieter Sage, die sozusagen eine Klöckner-Version des ERP-Systems hervorbrachte, mit der Kunden den Materialstamm von Klöckner bereits integriert mitgeliefert bekommen und Bestellungen effizient tätigen können.
  4. kloeckner.i: Ein Start-up, 2015 in Berlin als digitale Ideenschmiede gegründet, mit digitalen Experten von jenseits der Stahlindustrie.

Purchase-to-Pay-Digitalisierung im internationalen Umfeld

Die Wertschöpfungskette in der Stahlindustrie ist höchst ineffizient und intransparent. Hohe Lagerbestände, lange Lieferzeiten und niedrige Margen sind die Folge. Bestellungen und Rechnungen werden immer noch überwiegend per Fax, Telefon und Post ausgetauscht. Offenkundig gibt es dort also ein erhebliches Digitalisierungspotenzial im P2P-Prozess. Das erkannte auch Klöckner und ergriff die Initiative.

Bis zu diesem Zeitpunkt fand Purchase-to-Pay-Digitalisierung vorwiegend auf Anfrage von Lieferanten und dezentral aus den Ländergesellschaften heraus statt. Entsprechend zeigte sich ein uneinheitliches, ineffizientes Bild von EDI-Projekten bei Klöckner: Projekt-Owner war üblicherweise die IT-Abteilung, Fachabteilungen wurden erst nach der Implementierung zum Testen involviert, die Lieferanten gaben ihre Spezifikationen vor anstatt Standards von Klöckner anzunehmen.

In Zusammenarbeit mit kloeckner.i wurde daraufhin ein Zieldesign für Digitalisierungsprojekte entworfen. Dreh- und Angelpunkt soll künftig eine Industrieplattform sein, an die Kunden, Lieferanten und externe Service-Provider angebunden sind. Zudem wurden für Lieferanten-EDI-Projekte Standards definiert:

1. Art der EDI-Anbindung

  • Klare Regelung, unter welchen Voraussetzungen welche Art von EDI-Anbindung umgesetzt wird

  • IT-Ressourcen auf beiden Projektseiten realistisch einschätzen. Gerade kleinere Lieferanten haben nicht immer die notwendigen Ressourcen für EDI-Projekte.

  • Der Kunde ist König und setzt in der Regel den Standard.

2. Projektumfang

  • Zunächst Pilotprojekt mit nur einer Landesgesellschaft, anschließend internationales Rollout

  • Prozessharmonisierung ist wichtiger Teil des EDI-Projektes und zentrale Voraussetzung für schlanke Spezifikationen

3. Dokumentenumfang

  • Schlanke EDI-Standardspezifikation, die mehr oder weniger nur das bestellte Material beschreibt

  • Alles Weitere wird in den Rahmenbedingungen definiert, die mit dem Lieferanten im Rahmen des EDI-Projektes abgestimmt wird.

  • Individueller Anpassungsbedarf wird zentral beurteilt, ggf. in den Standard integriert und gilt dann für alle künftigen Projekte.

4. Projektorganisation

  • Lokale Projektteams mit zentraler Steuerung und Koordination

  • In den Projektteams sind immer alle betroffenen Fachabteilungen vertreten und auch der Project Owner kommt aus dem Business und ist nicht die IT.

  • Regelmäßige Abstimmungsmeetings

Um diese Standards zu gewährleisten wird den Mitarbeitern eine eigens entwickelte Toolbox mit Entscheidungsmatrix für EDI-Anbindungen, Standardprojektplänen und Spezifikationsvorgaben an die Hand gegeben.

Erfolgsfaktoren für die Purchase-to-Pay-Digitalisierung

Zum Ende des Vortrags beschrieb Anna-Kathrin Werkmeister dann noch die Lessons Learned von Klöckner, um anderen Unternehmen, die in ihrer Digitalisierung des P2P-Prozesses noch nicht so weit sind, hilfreiche Impulse mitzugeben.

Unternehmen sollten pragmatisch mit den Basisanforderungen starten und nicht zu viel Zeit mit Feinspezifikationen verlieren. Viele Service-Provider bieten inzwischen Best Practice-Lösungen für digitale Purchase-to-Pay-Prozesse an, die bei Bedarf im Laufe der Zeit angepasst werden können.

Bei allem Streben nach einer kurzen Projektdauer und schnellen Implementierung, sollten Unternehmen sich die Zeit nehmen, Prozessverständnis zu schaffen, implizites Wissen aufzudecken und die Prozesse zu harmonisieren. Das bedeutet zwar erstmal mehr Aufwand, spart künftig aber viel Zeit und Aufwand an anderer Stelle, zum Beispiel bei der Spezifikation in einem heterogenen Umfeld.

Purchase-to-Pay-Digitalisierung ist nicht in erster Linie ein IT-Projekt. Unternehmen sollten unbedingt ihre Fachabteilungen zum Projekt-Owner machen und die IT zu dessen Dienstleister. So können Anforderungen an die Spezifikation im Fachbereich kritisch hinterfragt werden und Spezifikationen im Ergebnis schlank gehalten werden. Wichtig ist außerdem, die unmittelbar betroffenen Mitarbeiter ins Team zu holen – also den für den Lieferanten zuständigen Disponenten oder Buchhalter mit dem Wissen, wie die Prozesse heute laufen – jedoch das Projekt zentral zu steuern, um einen gruppenweiten Prozessstandard zu gewährleisten.

Im Anschluss an den Vortrag ergaben sich aus dem Publikum zahlreiche Fragen, die zeigten, wie sehr dieses Thema auch andere Unternehmen derzeit bewegt. Baswares Purchase-to-Pay-Leitfaden unterstützt Sie dabei herauszufinden, wie Ihr Unternehmen aktuell in Bezug auf die Purchase-to-Pay-Digitalisierung aufgestellt ist. Wer sich die Präsentation zum Vortrag von Klöckner (nochmal) anschauen möchte, der wird hier fündig.


Nachtrag (am 09.01.2017):
In einem Beitrag für Xing Klartext äußerte sich kürzlich auch Gisbert RühlVorstandsvorsitzender von Klöckner & Co, zur Digitalisierungsstrategie des Unternehmens. Um sich von digitalen Unternehmen wie Amazon oder Alibaba nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen, sei es wichtig, das eigene Geschäft von Grund auf zu transformieren, auch wenn das bedeuten kann, dass man sich selbst ein Stück weit kannibalisiert. Den sehr offenen und lesenswerten Beitrag finden Sie hier.

Mehr zu Klöckner finden Sie hier:
www.kloeckner.com/de/index.html  
www.kloeckner-i.com/

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