In einem Webinar stellte Prof. Dr. Bogaschewsky (Universität Würzburg, Lehrstuhl für BWL und Industriebetriebslehre) kürzlich die wichtigsten Ergebnisse seiner Studie „Purchase-to-Pay: Stand der Anwendung und Trends“ vor und diskutierte darauf basierend mit Jörg Schramm (Vice President, Purchase to Pay Business Area Continental Europe, Basware GmbH) Hintergründe, Handlungsbedarf und künftige Entwicklungen im Bereich Purchase-to-Pay.
In der empirischen Studie „Purchase-to-Pay: Stand der Anwendung und Trends“ habe ich gemeinsam mit Prof. Dr. Holger Müller (Fakultät Wirtschaftswissenschaften, HTWK Leipzig) die Nutzung von IT-Tools und die Integration der einzelnen Prozesse von Einkauf bis Finanzen untersucht. Bereits seit 10 Jahren befragen wir jährlich Unternehmen zum Thema elektronische Beschaffung, 2016 beleuchteten wir erstmals den gesamten Purchase-to-Pay-Prozess. Dazu wurden 180 Unternehmen befragt – vom Großkonzern bis zum Kleinunternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsbranche sowie öffentliche Einrichtungen. Wenn wir von Purchase-to-Pay reden, meinen wir die durchgängige Digitalisierung und Automatisierung der Prozesse von der Anforderung bis zur Bezahlung. Im Fokus der Studie stehen katalogbasierte Prozesse.
Die Vorteile von Purchase-to-Pay-Lösungen kennen wir theoretisch alle. Wir wollten allerdings wissen, ob sich diese auch in der Praxis bewahrheiten und fragten die Studienteilnehmer, welche Auswirkungen sie bei der Nutzung von katalogbasierten Systemen feststellen. Erfreulicherweise decken sich die TOP 3 Antworten mit der Theorie:
Senkung der Prozesskosten
Erhöhung der Transparenz und Compliance
Fehlerreduktion
Die Befürchtung, dass aufgrund der Digitalisierung zahlreiche Arbeitsplätze im Einkauf wegfallen, scheint hingegen unbegründet. Firmen bestätigen eher eine Umorganisation der Arbeit und mehr Freiräume für strategische Aufgaben.
Der größte Vorteil und vermutlich auch der häufigste Grund für die Einführung einer Purchase-to-Pay-Lösung sind Einsparungen. Im Mittel liegen diese bei den Prozesskosten bei rund 25%, mitunter werden sogar 50% und mehr erreicht (für die gesamten Studienergebnisse gilt: Die angegebene statistische Schwankung ist die Standardabweichung. Die Maximalwerte liegen in Einzelfällen erheblich höher.).
Etwas niedriger, aber noch im sehr attraktiven Bereich, liegen die Einsparungen, wenn man nur den Teilprozess e-Invoicing betrachtet. So kommt man im Mittel auf 10% bei ERP-gesteuertem und 15% bei katalogbasiertem Material. Vor allem durch einen hohen Automatisierungsgrad können Werte um die 40% und mehr erreicht werden. Eine interessante Erkenntnis in diesem Rahmen ist, dass sich gerade im Mittelstand die Einführung von e-Invoicing lohnt. Im Vergleich mit den Großkonzernen werden hier höhere Einsparungen erzielt. Die Ursache dafür sehe ich vor allem in der Tatsache, dass Großkonzerne vor Einführung von e-Invoicing Rechnungsprozesse oft schon ausgelagert und damit bereits erste Einsparungen erzielt haben.
Anders als beim gesamten Purchase-to-Pay-Prozess, spielt für die Umsetzung von e-Invoicing die Beschleunigung der Prozesse eine etwas größere Rolle als die Kostenersparnisse. Die vier am häufigsten genannten Gründe lagen in unserer Befragung allerdings sehr dicht beieinander:
Beschleunigung der Prozesse
Vermeidung von Fehlbuchungen
Prozesskostenersparnisse
vollständige Rechnungsprüfung
Viele Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, bestellen weniger als 25% ihrer Bestellpositionen, die sich dafür eignen würden, über katalogbasiertes e-Procurement und lassen so viel Potenzial brachliegen. Ein großes Hindernis dabei: Es wird häufig unterschätzt, was alles katalogfähig ist. Denn nicht nur Büromaterial oder Werkzeug, sondern auch Lagermaterial, Dienstleistungen und konfigurierbare Produkte können heutzutage in e-Katalogen abgebildet und darüber bestellt werden.
Fragt man danach, welche Prozessschritte vollständig elektronisch unterstützt sind, bestätigen über 50% der befragten Unternehmen dies für die Rechnungsprüfung und -verbuchung. Bei Zahlungsanweisung und Transfer der Buchungsdaten ins System sind es schon weniger als die Hälfte und Lieferanten wurden nur von 25% (ERP-gesteuert) bzw. 32% (katalogbasiert) der Unternehmen angebunden. Auch eine Blitzumfrage bei den Teilnehmern des Webinars zeigte: Durchgängige P2P-Prozesse sind noch die Ausnahme, vor allem der Rechnungseingang ist häufig digitalisiert.
Schauen wir uns also Rechnungseingang und –verarbeitung genauer an. Zwei Drittel der befragten Unternehmen bestätigten die Relevanz eines elektronischen Rechnungseingangs. Dennoch setzt nur ein Drittel das auch in die Tat um. Mehr als 75% Eingangsrechnungen in elektronischer Form können sogar nur weniger als 10% der Befragten vorweisen.
Erstaunlich ist, dass selbst bei elektronischem Rechnungsempfang immerhin 30% der befragten Unternehmen, die Rechnungen NICHT elektronisch weiterverarbeiten. Und auch der Zahlungsprozess wird lediglich von 17-18% elektronisch abgewickelt.
Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass im Verlauf des Rechnungsprozesses in vielen Unternehmen Medienbrüche auftreten, die nicht nur Mehrarbeit verursachen, sondern auch Fehler.
Im Hinblick auf das Cash Management bleiben viele Möglichkeiten, die es im Rahmen von Purchase-to-Pay gibt, ungenutzt. Hier wird überwiegend ganz klassisch auf Rabatt- und Zahlungszielverhandlungen gesetzt. Kombinatorische, dynamische Elemente, wie z.B. das Dynamic Discounting, werden nur selten eingesetzt.
In Anbetracht der Tatsache, dass immerhin zwei Drittel der Befragten die Relevanz der Digitalisierung von Rechnungsprozessen anerkennt, stellt sich die Frage, warum das in der Praxis nicht schon weiter vorangeschritten ist. Die meist genannten Gründe, die eine Einführung von Purchase-to-Pay bisher verhinderten, sind relativ profan:
zu wenige Ressourcen, um eine Lösung einzuführen (über 40%)
vorhandene IT-Systeme sind veraltet (über 30%)
mangelnde Bereitschaft der Finanzbuchhaltung (knapp 30%)
fehlende technische Möglichkeiten bei Lieferanten (knapp 30%)
Was ist zu tun, um Abhilfe zu schaffen? In der Praxis erlebe ich, dass sich viele Unternehmen mit der Digitalisierung erst auseinandersetzen, wenn der Kostendruck sehr hoch geworden ist. Dann soll alles schnell umgesetzt und wenig investiert werden. Meine Empfehlung ist daher, starten Sie frühzeitig mit der Digitalisierung, planen Sie sorgfältig Zeit- und Personalressourcen und versuchen Sie nicht, alles selber zu machen. Greifen Sie auf die Kompetenz von Providern und deren Best-Practice-Lösungen zurück.
Die Nutzung von Purchase-to-Pay-Lösungen als Software-as-a-Service kann eine Option sein, um die initialen Kosten niedrig zu halten und nicht zu viele Änderungen an der IT-Infrastruktur vornehmen zu müssen. Das kommt nicht nur Unternehmen mit veralteten Systemen zugute, sondern auch Lieferanten, denen die technischen Möglichkeiten für e-Procurement und e-Invoicing fehlen.
Unsere Studie ergab nicht nur, dass die fehlende Bereitschaft der Finanzbuchhaltung ein großer Hinderungsgrund für Purchase-to-Pay ist, sondern auch, dass die Abstimmung zwischen Einkauf und Finanzabteilung im Rahmen dieses Prozesses bei ca. 30% gar nicht stattfindet. Dabei bietet die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit zahlreiche Vorteile und legt den Grundstein für erfolgreiches Purchase-to-Pay.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass derzeit nur wenige Best-in-Class-Unternehmen maximalen Nutzen aus Purchase-to-Pay ziehen. Für die meisten Unternehmen gilt, dass noch viele Potentiale gehoben werden können, auch wenn elektronische Lösungen bereits im Einsatz sind – vom vollständig elektronischen Rechnungseingang über einen integrierten Purchase-to-Pay-Prozess bis zur Optimierung des Cash Managements mit Hilfe von Finanzierungsservices. Packen sie es an!
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